Kleine Anfrage: Regulierung des gewerblichen Automatenspiels in Spielhallen
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Karin Seidel-Kalmutzki (SPD)
vom 20. November 2009 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. November 2009) und Antwort
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
1. Wie hat sich der Umsatz in den gewerblichen Spielhallen – insbesondere bei den sogenannten Geldgewinnspielgeräten – im Land Berlin in den letzten zehn Jahren entwickelt? Wie ist die Entwicklung bei der Einhaltung des Jugendschutzes in diesem Bereich zu beurteilen? Welche Vorkehrungen und finanziellen Leistungen zur Suchtprävention werden in diesem Bereich erbracht? Welche Erfahrungen wurden bei der staatlichen Kontrolle der Spielhallen gemacht?
Zu 1.: Die Umsätze lassen sich nur allgemein für die Spielhallen, nicht jedoch beschränkt auf die Umsätze aus Geldgewinnspielgeräten darstellen. Aus der Auswertung statistischer Daten und den Angaben im Besteuerungsverfahren ergibt sich folgende Umsatzentwicklung:
Jahr Umsatz / Mio. EUR 1999 39,3 2000 42,5 2001 40,3 2002 37,7 2003 35,4 2004 36,2 2005 43,9 2006 39,1 2007 46,8 2008 70,0 2009 voraussichtlich ca. 83,0 Negative Entwicklungen bei der Einhaltung des Jugendschutzes im Bereich der gewerblichen Spielhallen sind dem Senat nicht bekannt. Vielmehr ist im Allgemeinen eine größere Sensibilisierung von Handel und Gewerbe sowie in der Bevölkerung für die Belange des Jugendschutzes zu verzeichnen. Die Glücksspielsuchtprävention des Senats zielt auf die breite Information und Aufklärung der Bevölkerung sowie einzelner Zielgruppen und die Schulung sowie den Austausch zwischen Multiplikatoren auf entsprechenden Fachveranstaltungen ab. Dabei wird der Bereich des gewerblichen Spiels einbezogen und teilweise besonders hervorgehoben (zum Beispiel Präventionskampagne „Der Automat gewinnt immer“ mit mehrsprachigen Plakaten und Infokarten für Erwachsene und Jugendliche). Das Präventionsprojekt Glücksspiel, welches bei der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin angesiedelt ist, wurde im Zeitraum 2008 bis 2009 mit über 130.000 EUR gefördert. Der Internetauftritt www.gluecksspielsuchtpraevention-berlin.de (auch: www.faules-spiel.de) stellt unter anderem die vielfältigen Arbeitsinhalte und Aktivitäten des Präventionsprojekts dar.
In den Berliner Schulen findet im Rahmen der Suchtprophylaxe zum Thema Automatenspiel/Glücksspiel Folgendes statt:
Für den proaktiven/multiplikatorischen Ansatz zum Thema Automatenspiel/Glücksspiel gibt es Kooperationen zwischen Schulen, Beratungsstellen freier Träger, der Fachstelle für Suchtprävention und der Regionalen Fortbildung.
Lehrkräfte (regionale Koordinatoren/Koordinatorinnen/Kontaktlehrer/Kontaktlehrerinnen in Schulen) nehmen an themenzentrierten Informationsveranstaltungen teil. Dazu gehören Fachvorträge, Workshops, interdisziplinäre Werkstattgespräche und Fortbildungsangebote auf Tagungen.
Veranstaltungen der Regionalen Fortbildung wurden und werden durch Lehrkräfte bzw. Kontaktlehrer-/Kontaktlehrerinnengruppen der schulischen Suchtprophylaxe besucht. Hierzu gibt es gute Erfahrungen aus der Kooperation mit der Beratungsstelle Café Beispiellos.
Unterrichtsmaterialien können über das Intranetportal der Berliner Kontaktlehrer/ Kontaktlehrerinnen und Koordinatoren/Koordinatorinnen (IKS- Internetgestützte Kommunikation in der Suchtprophylaxe) sowie über den Bildungsserver (http://bildungsserver.berlin-brandenburg. de/suchtpraevmaterial.html) eingesehen und heruntergeladen werden.
In den regionalen Arbeitskreisen der Berliner Kontaktlehrer und Kontaktlehrerinnen wird das Thema Automatenspiel/Glücksspiel behandelt, zur Information an die Schulen weitergegeben und bei Bedarf in die Planung und Durchführung von Studientagen eingebracht.
Für den reaktiven Präventionsbereich kennen die Kontaktlehrer und Kontaktlehrerinnen die einschlägigen Beratungsstellen und verweisen beratungsinteressierte Eltern und Schüler und Schülerinnen dorthin.
Eine zusammenfassende Aussage über die finanziellen Leistungen für die Suchtprävention kann im Rahmen der Antwort nicht getroffen werden. Hinsichtlich der Einhaltung des Jugendschutzes und der Verpflichtung, Hinweise auf Beratungsmöglichkeiten bei pathologischem Spielverhalten anzubringen, sind keine nennenswerten Beanstandungen festzustellen. Der Verpflichtung, in der Spielhalle Informationsmaterial über Risiken des übermäßigen Spielens sichtbar auszulegen, wird entsprochen.
2. Welche Erfahrungen hat der Senat mit der zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Novelle der Spielverordnung gemacht, insbesondere hinsichtlich der Neuregelung der Zahl und der Art der Aufstellung von Geldgewinnspielgeräten, hinsichtlich der neuen Kriterien für die Bauartzulassung, hinsichtlich der Neuregelung der Überprüfung der Geräte sowie hinsichtlich der Vorschrift der Dokumentierbarkeit sämtlicher Einsätze, Gewinne und Kasseninhalte für steuerliche Erhebungen?
Zu 2.: Seit der zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Novelle der Spielverordnung haben sich die zur Vergnügungsteuer angemeldeten Spielgeräte wie folgt entwickelt (zur Verdeutlichung der Entwicklung wird neben der Anzahl der Geldgewinnspielgeräte auch die Anzahl der Unterhaltungsspielgeräte angegeben):
Anzahl der aufgestellten
GeldgewinnspielgeräteAnzahl der aufgestellten
Unterhaltungsspielgeräte SpielhallenErmittlungs-
zeitpunktSpiel-
hallenAndere Orte Summe aller Geldgewinn-
spielgeräteSpiel-
hallenAndere Orte Summe aller Unter-
haltungs-
spielgeräteSumme aller Geräte 31.12.05 1.396 4.486 5.882 1.249 3.578 4.827 10.709 31.12.06 1.551 4.161 5.712 735 3.017 3.752 9.464 31.12.07 1.729 4.510 6.239 186 1.865 2.051 8.290 31.12.08 2.488 5.127 7.615 127 1.496 1.623 9.238 30.06.09 2.946 5.358 8.304 33 887 920 9.224 Die Anzahl der Geldgewinnspielgeräte hat sich seit dem 01.01.2006 in Spielhallen und ähnlichen Unternehmen im Sinne des § 33 i der Gewerbeordnung mehr als verdoppelt und in Gaststättenbetrieben, Kantinen, Wettannahmestellen, Vereins- und ähnlichen Räumen sowie an sonstigen der Öffentlichkeit zugänglichen Orten (§§ 1 und 2 der Spielverordnung) um rund 20 % erhöht.
Mit dem Anstieg der Anzahl der Geldgewinnspielgeräte geht ein erheblicher Rückgang der Unterhaltungsgeräte einher. Es ist zu vermuten, dass der Wechsel von Unterhaltungsgeräten zu Geldgewinnspielgeräten im Wesentlichen durch die für die Geräteaufsteller günstigeren Vorgaben zu den Geldgewinnspielen sowie die Einschränkungen in § 6 a der Spielverordnung (Verbot von Gewinnberechtigungen bei Unterhaltungsautomaten ohne Geldgewinnmöglichkeit) herbeigeführt wurde. Vor der novellierten Spielverordnung wurden teilweise Unterhaltungsautomaten, so genannte Fungames, missbräuchlich betrieben, indem auf unterschiedliche Weise Bargeldauszahlungen ermöglicht wurden (z. B. durch Umtausch von gewonnenen Weiterspielmarken); diese Geräte sind auch nach bundesweit vorliegenden Erkenntnissen inzwischen aus den Spielhallen entfernt worden.
Die Zulassung von Geldgewinnspielgeräten obliegt der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Berlin. Die Vorschriften über die Zulassung von Geldgewinnspielgeräten sowie die Regularien für die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen durch die PTB liegen in der Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWT). Aus dem Erfahrungsaustausch des BMWT mit den Ländern und der PTB ist ersichtlich, dass die gesetzlichen Prüfkriterien durch die nahezu uneingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten bei der Entwicklung elektronischer Spielabläufe einem erheblichen Anpassungsdruck unterliegen, um nach wie vor eine auch von Vollzugsbeamten und Vollzugsbeamtinnen im Rahmen der Gewerbeüberwachung effektive Kontrolle vor Ort sicherzustellen. Insofern ist es auch aus Sicht des Senats zu begrüßen, dass das BMWT die Erfahrungen der PTB und der Gewerbebehörden der Länder bei der Evaluation der Spielverordnung berücksichtigen wird.
Die Einsätze, Gewinne und der Kasseninhalt wurden auch schon vor der Regelung durch die neue Spielverordnung aufgrund der am 15.11.1989 von den Branchenunternehmen beschlossenen „Freiwilligen Selbstbeschränkung“ dokumentiert. Spätestens seit 1997 entsprechen die Geräte flächendeckend dieser Vereinbarung. Die Selbstbeschränkungsvereinbarung wurde nach der Novelle der Spielverordnung obsolet und in Abstimmung mit dem BMWT aufgekündigt. Die Regelungen der Vereinbarung wurden wie die vergleichbaren Bestimmungen der Novelle der Spielverordnung nach den Erfahrungen der steuerlichen Außenprüfungen auf den Gebieten der Ertrag- und Umsatzsteuern von den meisten Betreibern eingehalten. Die entsprechenden Ausdrucke aus den Automaten werden im Rahmen der Prüfungen in der Regel vorgelegt und sind auch ohne größere Schwierigkeiten auszuwerten.
Die Vergnügungsteuer wird in Berlin bis Ende 2009 nach einem Pauschalmaßstab erhoben. Erst ab dem 01.01. 2010 wird die Vergnügungsteuer auf den Kasseninhalt bezogen, so dass im Rahmen der Erhebung dieser Steuer noch keine Erkenntnisse vorliegen.
3. Durch das Regulierungsgefälle zwischen den auf Bundesebene geregelten Spielhallen und den in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallenden Spielbanken konnte und kann das gewerbliche Automatenspiel beträchtlich expandieren. Es ist nicht auszuschließen, dass das gewerbliche Automatenspiel von der strikten Regulierung auf Landesebene insofern profitiert, als dass es zu einer Abwanderung der Spielteilnehmer aus Spielbanken in weniger stark regulierte Spielhallen kommt. Wie beurteilt der Senat die hierdurch abnehmenden Einnahmen des Landes Berlin durch die Spielbankabgabe, die gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs als erfreuliche Nebenfolge ausdrücklich zulässig ist?
Zu 3.: Bei den Berliner Spielbanken ist in 2008 ein Rückgang der Besucherzahlen eingetreten, der zu einem Rückgang des Bruttospielertrags um 28 % bzw. 31 % und somit auch zu einem Rückgang der Steuereinnahmen zur Spielbankabgabe geführt hat. Diese Entwicklung ist auf den zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag, der die Einführung einer Einlasskontrolle im Automatenspiel erforderte, sowie auf das Nichtraucherschutzgesetz zurückzuführen. Dem steht die in der Antwort zu den Fragen 1. und 2. aufgeführte Entwicklung der Umsätze und Anzahl der Geldgewinnspielgeräte der Spielhallen gegenüber.
Ob und in welchem Umfang der Rückgang der Besucherzahlen bei den Spielbanken zu einem Anstieg der Besucherzahlen im gewerblichen Automatenspiel in Spielhallen geführt hat oder ob letzterer vor allem Folge der Novellierung der Spielverordnung ist, kann vom Senat nicht beurteilt werden.
4. Die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder hat die Bundesregierung am 13. Dezember 2006 aufgefordert, für eine wirksame Suchtprävention bei gewerblichen Spielautomaten zu sorgen. Die Gesundheitsministerkonferenz hat diese Forderung am 25. Juni 2009 wiederholt. Wie beurteilt der Senat die Aussichten, dass der Bund hierzu Maßnahmen ergreift?
5. Die Spielverordnung, die das gewerbliche Automatenspiel regelt, wird derzeit durch das Bundeswirtschaftsministerium evaluiert. Inwiefern beabsichtigt der Senat, seine Erfahrungen in diese Evaluierung einzubringen? Beabsichtigt der Senat, nach der Evaluierung auf eine Novellierung der Spielverordnung hinzuwirken, die das Regulierungsgefälle heilt und das gewerbliche Automatenspiel den Prinzipien einer wirksamen Spielsuchtprävention unterwirft? Wird er hierzu eine Bundesratsinitiative der Länder starten oder diese aktiv befürworten?
6. Die Gesetzgebungskompetenz für Spielhallen lag bisher allein beim Bund. Nach Inkrafttreten der Föderalismusreform 2006 und der Einführung des Art. 74 I Nr. 11 GG sind neuerdings auch die Länder in diesem Bereich gesetzgebungsbefugt. Damit haben sie direkte Gestaltungsmöglichkeiten in einem zentralen Problemfeld des gewerblichen Glücksspiels. Ansatzpunkte sind z. B. die Vergabe von Mehrfachkonzessionen, die Verschärfung der Anforderungen an die Zulassung von mehreren Spielhallen in einem Gebäudekomplex oder die Verschärfung der personalen Voraussetzungen für den Betrieb einer Spielhalle. Wann beabsichtigt der Senat, die neue Landeskompetenz zum Spielhallenrecht zu nutzen?
Zu 4., 5. und 6.: Die Evaluierung der Spielverordnung wird durch das BMWT voraussichtlich Ende März 2010 abgeschlossen sein. Eine erste Auswertung der Ergebnisse wird auf Fachebene im April 2010 im Bund-LänderAusschuss „Gewerberecht“ stattfinden. Danach kann entschieden werden, ob es gesonderter Initiativen eines oder mehrerer Länder bedarf, um sicherzustellen, dass die dem Spieler- und Spielerinnenschutz und hier insbesondere der Suchtprävention dienende Maßnahmen verstärkt Eingang in das gewerbliche Spielrecht finden. Derzeit ist erkennbar, dass dem Bund das dem gewerblichen Spiel innewohnende Suchtpotenzial durchaus bewusst ist; nicht erkennbar ist, ob und in welchem Maße dies in Novellierungsvorschläge für die Spielverordnung einfließen wird. Der Senat geht jedoch davon aus, dass hier seitens der Länder konkrete Vorschläge unterbreitet werden und wird diese, sofern sie den Spieler- und Spielerinnenschutz noch stärker in das Zentrum des gewerblichen Spielrechts rücken, unterstützen und ggf. auch anstoßen.
Die nach dem Inkrafttreten der Föderalismusreform 2006 den Ländern übertragene Gesetzgebungskompetenz im gewerblichen Spielrecht umfasst das „Recht der Spielhallen“. Bisher hat kein Bundesland von der Möglichkeit eines Landesgesetzes Gebrauch gemacht, da allgemein davon ausgegangen wird, dass die zur Verfügung stehenden gesetzlichen Instrumentarien und die einschlägige Rechtsprechung zur Regelung aller Probleme nach wie vor ausreichen. Zudem ist durchaus nicht abschließend geklärt, wie weit die gesetzgeberischen Befugnisse der Länder im konkreten Fall reichen. Nach herrschender fachlicher Meinung umfasst das „Recht der Spielhallen“ die konkrete Ausgestaltung des Spielhallenbetriebs, ohne jedoch die Regelungen einzuschließen, die sich mit den anderweitig geregelten Kriterien für Geldgewinnspielgeräte oder den baulichen Anforderungen an Spielhallen befassen.
Für das Land Berlin wird im ersten Halbjahr 2010 ein Meinungsaustausch auf Fachebene zwischen den betroffenen Senatsverwaltungen unter der Federführung der für das gewerbliche Spielrecht zuständigen Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen mit dem Ziel stattfinden, den Bedarf für ein Landesgesetz zur Regelung des Rechts der Spielhallen zu ermitteln.
Berlin, den 13. Januar 2010
In Vertretung
Almuth Nehring-Venus
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Januar 2010)
Quelle: parlament-berlin.de (27.01.2010)
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