67. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto und des Gedenktages Jom Hashoa

Die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses, Karin Seidel-Kalmutzki, nimmt – in Vertretung von Parlamentspräsident Walter Momper – am Montag, dem 12. April 2010, 18.00 Uhr, an der Gedenkveranstaltung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, aus Anlass des 67. Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto und des Gedenktages Jom Hashoa, teil. Während der Veranstaltung wird die Vizepräsidentin ein Grußwort als Vertreterin des Landes Berlin halten

Mein Grußwort

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Süsskind,
sehr geehrte Damen und Herren,

zum 67. Mal jährt sich am 19. April der Beginn des blutigen Aufstandes im Warschauer Ghetto. Ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte.
Rund 56 000 Frauen, Männer und Kinder lebten an diesem Tag im jüdischen Ghetto.
Die heutige Stunde des Gedenkens und der Trauer ist der Versuch, zu begreifen, was unbegreiflich scheint. Es ist auch der Versuch, die Vergangenheit als Mahnung und Anspruch an jeden Einzelnen von uns anzunehmen.

Vor 67 Jahren, in der Nacht vom 18. zum 19. April 1943, begann der Aufstand im Warschauer Ghetto. In den Wochen zuvor hatte die SS von dort
Tausende deportiert und in die Vernichtungslager gebracht. Nun trafen die Schergen des Naziregimes auf organisierten Widerstand. Die Menschen im Getto kämpften, obwohl sie wussten, dass ihr Widerstand aussichtslos war. Fünfzigtausend Frauen und Männer opferten sich in diesem Kampf.
Sie verteidigten Straßenzug um Straßenzug, Haus um Haus gegen Panzer,
Artillerie und Flammenwerfer.

Viele von ihnen blieben in den brennenden Häusern. Sie wollten sich nicht der SS ausliefern. Der Kampf dauerte bis zum 16. Mai 1943. Dann war der Widerstand der Verzweifelten gebrochen, das Ghetto wurde geräumt.
Die Meisten, die überlebt hatten, wurden ins KZ gebracht und dort ermordet.
Nur wenige von den Ghettokämpfern überlebten das Kriegsende.

Mit dem Feiern des Pessachfests im Ghetto verbanden die rund 750 jüdischen Kämpfer auch die Hoffnung, durch ihren Widerstand ein Zeichen gegen die Unmenschlichkeit und Grausamkeit ihrer Peiniger zu setzen;
aber auch ein Zeichen der Selbstbehauptung der jüdischen Menschen.

Ihr – wenn auch verlorener – Kampf mahnt die nachfolgenden Generationen,
für die Unantastbarkeit der Würde des einzelnen Menschen als hohes Gut unserer Zivilisation einzutreten.
Deshalb ist diese Stunde des Innehaltens, diese Stunde der Besinnung,
nicht nur eine Gedenkstunde für die Opfer. Es ist eine Stunde der Ermahnung an das gesellschaftliche Gedächtnis, an das Gedächtnis Deutschlands.

70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, sechs Jahrzehnte nach Gründung der Bundesrepublik und der DDR und 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sind wir Deutschen in unterschiedlichster Form und Komplexität mit unserer Geschichte konfrontiert.

Es sind nur noch wenige Zeitzeugen des Nationalsozialismus unter uns.
Wenn die lebenden Zeugen dieses ungeheuren Zivilisationsbruchs, der jungen und den nachfolgenden Generationen keine authentischen und lebendigen Erinnerungsberichte mehr geben können, müssen andere Formen gesellschaftlicher Aufklärung und gemeinsamer Erinnerung gefunden werden.

Ich meine, das Abgeordnetenhaus von Berlin hat eine solche Möglichkeit realisiert:
Wir veranstalten jedes Jahr den Jugendwettbewerb denk!mal, eine große Ausstellung von Jugendprojekten zur Erinnerung an den Holocaust, zur Geschichte der NS-Gewaltherrschaft und über Toleranz in unserer Gesellschaft. Diese Veranstaltungen haben eine große Resonanz,
nicht nur bei den Jugendlichen.

Zu den Maßnahmen, Toleranz in der Gesellschaft zu verankern, gehört im Übrigen auch der gemeinsame Ethikunterricht in der Berliner Schule.

Mir als verantwortliche Politikerin liegt sehr daran, dass in Deutschland nicht nur der Opfer gedacht und an sie erinnert wird, sondern dass zugleich das Wissen und das Verständnis um die historischen Ereignisse begriffen und die entsprechenden Konsequenzen für die aktuelle Politik daraus gezogen werden.

Gerade vor dem Hintergrund der auch in diesem Jahr erneut angekündigten Demonstrationen von Neonazis am 1. Mai und den aktuellen Erkenntnissen
über neue Strategien von Rechtsextremisten, mithilfe der Neuen Medien insbesondere junge Menschen anzusprechen, ist es unsere Aufgabe,
diese Aktionen mit allen Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen und mit großem Engagement der Zivilgesellschaft dem Treiben der Neonazis entschlossen entgegen zu treten.

Das Gedenken an die Opfer des Aufstandes im Warschauer Ghetto erinnert uns in eindringlicher Weise daran, dass unser Umgang mit der Vergangenheit und mit dem Vermächtnis der Opfer des Holocaust immer ein Gradmesser für unsere politische und persönliche Glaubwürdigkeit sein wird.

Dies dürfen wir nie vergessen !

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