Kleine Anfrage: Drohender Fachkräftemangel in Berlins Kindertagesstätten?
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sandra Scheeres (SPD) und Karin Seidel-Kalmutzki (SPD)
vom 06. März 2009 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. März 2009) und Antwort
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
1. Wie hoch schätzt der Berliner Senat, angesichts des bundesweiten Ausbaus der U3-Betreuungsplätze und der stärkeren Inanspruchnahme des Elterngeldes, den Bedarf an Fachpersonal für die Kindertagesstätten in den nächsten 10 Jahren ein?
Zu 1.: Der Senat geht davon aus, dass im Rahmen des Investitionsprogramms für unter Dreijährige bis 2013 rund 2.500 Plätze neu geschaffen werden und damit das bestehende Betreuungsangebot sukzessive ausgebaut und durch bauliche, räumliche und ausstattungsmäßige Verbesserungen langfristig gesichert wird. Basierend auf den Regelungen des § 11 des Kindertagesförderungsgesetzes zur Personalbemessung in Kindertageseinrichtungen und ausgehend von der Annahme, dass die Plätze künftig in einer dem Jahr 2008 analogen prozentualen Verteilung der verschiedenen Betreuungsumfänge genutzt werden, werden für 2.500 Plätze zusätzlich rund 350 Stellen pädagogisches Fachpersonal benötigt.
2. Wie bewertet der Berliner Senat die laut des statistischen Landesamtes steigende Inanspruchnahme von Plätzen in Berliner Kindertageseinrichtungen?
3. Inwiefern hält der Berliner Senat angesichts dieser Zahlen eine höhere Versorgungsquote für notwendig?
Zu 2. und 3.: Die Aussagen des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg (veröffentlicht in der Bundesstatistik der Kinder- und Jugendhilfe Teil III.1 für die Jahre 2006, 2007, 2008) verweisen auf eine deutliche Steigerung der absoluten Zahl der Kinder, die zwischen den Jahren 2006 und 2008 eine Berliner Kindertageseinrichtung besuchten (siehe untenstehende Tabelle). Differenzen zu den auf der Grundlage des ISBJ-Verfahrens dargestellten Zahlen ergeben sich aus unterschiedlichen Erhebungsgrundlagen (Berücksichtigung aller Tageseinrichtungen, nicht nur der öffentlich finanzierten, Stichtag der Erhebung 15.3. d.J.)
Kinder in Kindertageseinrichtungen
(Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg; Stichtag: 15.3.d.J.)2006 2007 2008 0 – u. 3 Jahre 229.437 31.363 32.732 3 – u. 6 Jahre 71.850 74.372 76.390 über 6 Jahre* 4.294 4.190 4.594 insgesamt 105.581 109.925 113.716 * Höhe d. Zahlen ergibt sich aus dem Stichtag 15.3.
Trotz dieser Unterschiede stehen die Daten des Statistischen Landesamtes in ihrer Tendenz in Übereinstimmung mit den im Rahmen des ISBJ-Verfahrens erhobenen Daten. Beide Erhebungen bestätigen gleichfalls ein kontinuierliches Ansteigen des Versorgungsgrades der Jahrgänge. Im Ergebnis machen die Erhebungen deutlich, dass die Maßnahmen des Senats zur Steigerung des Kitabesuchs Wirkung zeigen.
Der Senat erwartet, dass sich – in Folge der geplanten Einführung des beitragfreien ersten und zweiten Kita-Jahres – insbesondere der Anteil der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache erhöhen wird, die über mehrere Jahre eine Kita besuchen. Allerdings wird die Gesamtzahl der belegten Plätze in Kindertageseinrichtungen mittelfristig keine übermäßige Steigerung erfahren. Die Einschätzung des Senats basiert auf der Bevölkerungsprognose für Berlin 2007 – 2030 in der Variante „Basis“, die als Arbeits- und Planungsgrundlage für alle Verwaltungen und Bezirke gilt. Danach ist festzustellen, dass die zu erwartende Veränderung der Bevölkerungszahl in der Altersgruppe 0 bis unter 6 Jahre in den nächsten 10 Jahren unwesentlich steigt und danach bis 2030 wieder abfällt.
Bevölkerungsentwicklung (in 1.000 Personen) Altersgruppe 2007 2010 2015 2020 2025 2030 0 – unter 6 175,3 180,6 178,8 174,2 169,2 166,1 Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin „Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2007-2030“
4. Wie viele Erzieherinnen und Erzieher werden in den nächsten zehn Jahren nach Kenntnis des Berliner Senats pensioniert werden?
Zu 4.: Die Altersstruktur des in Tageseinrichtungen bei öffentlichen und freien Trägern tätigen Personals stellt sich im Land Berlin wie folgt dar:
- 39,24 % der pädagogischen Fachkräfte sind im Alter von unter 20 bis 40 Jahren
- 39,4 % sind im Alter von 40 bis 50 Jahren
- 11,7 % sind im Alter von 50 bis 55 Jahren
- 9,1 % sind im Alter von 55 bis 60 Jahren.
Der Senat geht davon aus, dass in den kommenden Jahren jährlich ca. 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter altersbedingt aus dem Beruf ausscheiden.
5. Inwiefern ist dem Berliner Senat bekannt, ob durch „Abwerbeaktionen“ anderer Städte (insbesondere München) Erzieherinnen und Erzieher Berlin verlassen haben (und wenn ja wie viele)?
Zu 5.: Dem Senat ist nicht bekannt, dass Abwerbeaktionen anderer Städte dazu führten, dass Erzieherinnen und Erzieher Berlin verlassen haben. Angesichts der insbesondere für Alleinerziehende vergleichsweisen günstigen Situation bei der Versorgung mit Wohnraum und Plätzen der Kindertagesbetreuung darf jedoch bezweifelt werden, dass Städte wie München eine attraktive Alternative zu Berlin darstellen.
6. Wie viele Erzieherinnen und Erzieher werden nach Kenntnis des Berliner Senats derzeit ausgebildet?
Zu 6.: Derzeit studieren 3.652 Erzieherinnen und Erzieher an den Berliner Fachschulen für Sozialpädagogik.
7. Wie hoch schätzt der Berliner Senat den Ausbildungsbedarf für die kommenden 10 Jahre ein?
Zu 7.: Exakte Zahlen liegen dazu derzeit nicht vor. Auch aktuell kann der Bedarf im Land Berlin durch die Ausbildungskapazitäten der Berliner Fachschulen nicht ausschließlich gedeckt werden, da ein Teil der Absolventinnen und Absolventen keine Berufstätigkeit in einer Berliner Kita aufnimmt.
8. Welche Voraussetzungen müssten nach Auffassung des Senats geschaffen werden, damit für die Zukunft ausreichend Erzieherinnen und Erzieher in Berlin ausgebildet werden?
10. Welche Konsequenzen hat die Entwicklung des Fachkräftebedarfs für die Qualifizierung beruflicher Quereinsteiger(innen)?
Zu 8. und 10.: Aktuell besteht kein allgemeiner Mangel an qualifiziertem Personal in Kindertagesstätten. Im Februar 2009 waren in Berlin 1.118 Erzieherinnen und Erzieher arbeitslos gemeldet, diesen standen 464 offene Stellen gegenüber. Damit auch in Zukunft dem voraussichtlich wachsenden Bedarf Rechnung getragen werden kann, prüft der Senat die folgenden Maßnahmen:
- Formulierung einer Öffnungsklausel im Kindertagesförderungsgesetz, die sogenannten Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern mit pädagogischer Grundausbildung den Weg in die erzieherische Tätigkeit öffnet
- Einführung einer Nichtschüler- oder Externenprüfung, mit der interessierten Personen, die nach mehrjähriger Berufstätigkeit, Fortbildung und Praxiserfahrungen die notwendigen fachlichen Voraussetzungen erfüllen, ein Zugang in die erzieherische Tätigkeit ermöglicht werden kann
- Ausweitung der Kapazitäten für die berufsbegleitende Ausbildung bzw. für Umschülerinnen und Umschüler – Einrichtung einer weiteren Fachschule für Sozialpädagogik
9. Ist dem Senat bekannt, ob durch die Einführung des Abiturs als Ausbildungsbedingung die Anmeldezahlen zurückgegangen sind?
Zu 9.: Seit der Einführung der neuen Verordnung über die Ausbildung und Prüfung an den staatlichen Fachschulen für Sozialpädagogik (APVO Sozialpädagogik) haben sich die Zahlen der Studierenden von 3.313 im Schuljahr
2006/07 auf 3.652 im Schuljahr 2008/09 erhöht.
11. Welche Maßnahmen können nach Ansicht des Senats unternommen werden, um das Berufsbild des Erziehers/der Erzieherin attraktiver zu machen?
Zu 11.: Aus Sicht des Senats ist es nicht erforderlich, das Berufsbild des Erziehers/der Erzieherin attraktiver zu gestalten, da nach wie vor ein großes Interesse insbesondere von jungen Frauen an dem Beruf besteht und dieser durch die Konzentration auf die neue Aufgabenstellung „Frühkindliche Bildung“ in den letzten Jahren eine Aufwertung erfahren hat. Allerdings können berufliche Rahmenbedingungen wie Teilzeit- und befristete Beschäftigungen mit Blick auf die reale Einkommenssituation der Erzieherinnen und Erzieher im Einzelfall unattraktiv wirken.
Berlin, den 27. März 2009
In Vertretung
Claudia Zinke Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. April 2009)
Quelle: parlament-berlin.de (22.04.2009)
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