Kleingärtnerorganisation feiert 20-jähriges Jubiläum

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki gratuliert
Die Berliner Kleingärtner haben bei ihrem gemeinsamen historischen Treffen am 20. Februar 1990 – also vor nunmehr 20 Jahren – den Zusammenschluss zwischen der Ostberliner und der Westberliner Organisation beschlossen. Am 20. Februar 2010 wird ab 10 Uhr im Rathaus Pankow in einer Festveranstaltung dieses außergewöhnlichen Ereignisses gedacht. Die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin Karin Seidel-Kalmutzki wird in einer Rede am Vormittag die Verdienste des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e. V. würdigen.

Meine Rede

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident Ehrenberg,
sehr geehrte Frau Theobald,
Herr Bezirksbürgermeister Köhne,
Herr Bezirksstadtrat Schworck,
sehr verehrte Kolleginnen Haußdörfer und Hinz aus dem Berliner Abgeordnetenhaus,
liebe Gartenfreundinnen und Gartenfreunde,

ich freue mich sehr darüber, heute bei dieser außergewöhnlichen Festveranstaltung bei Ihnen zu sein und zu Ihnen, liebe Gartenfreunde, zu sprechen.

Dass ich heute hier bin und nicht der ehemalige Regierende Bürgermeister Walter Momper, hat natürlich einen Grund: der Präsident wird morgen 65 Jahre alt und seine Frau hat ihn überzeugt, mit ihr eine Reise in den Süden zu machen. Er lässt Sie alle herzlich grüßen und bittet um Ihr Verständnis.

Vor 20 Jahren haben Sie, die Gartenfreunde im Osten wie im Wesen, frühzeitig erkannt: nur ein gemeinsamer Verband macht uns stark! Deshalb haben sie quasi gleich nach der Wende begonnen, auf beiden Seiten die Weichen für die Zusammenführung ihrer Kleingartenorganisationen zu stellen. Anderen Großorganisationen dieser Stadt ist dies bis heute noch nicht gelungen – viele gehen noch getrennte Wege (ich denke da auch den Sportbereich, wo ich mich ansonsten fachpolitisch tummle).

Meine Damen und Herren,

Aber heute feiern wir zusammen Ihre außergewöhnliche Weitsicht. Mit der frühen Entscheidung für ein gemeinsames Handeln haben Sie viel für das Zusammenwachsen der beiden Stadthälften getan. Dafür möchte ich Ihnen als Politikerin herzlich danken.

Die Kleingärten gehören zum grünen Bild unserer Stadt. Verantwortliche Kommunal- und Landespolitik wird sich also immer auch aus eigenem Interesse um die vielen grünen Flächen in Berlin kümmern. Wenn wir es nicht genügend tun sollten – dessen bin ich mir sicher – werden Sie uns, liebe Gartenfreunde, mit Sicherheit daran erinnern. Stichwort Kleingartenentwicklungsplan als Schutz in die Verfassung.

Ihre Tätigkeit geht auf eine lange Tradition des Kleingartenwesens zurück. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts wurde bekanntlich durch den Pädagogen und Arzt Dr. Gottlieb Schreber in Leipzig der Anfang gemacht. Das Berliner Kleingartenwesen entwickelte sich im Schatten riesiger Industrieansiedlungen. Als Gegenbewegung zur naturfeindlichen Großstadt mit ihren Mietskasernen wurde die Kleingartenkultur geboren. Die sogenannten „kleinen Leute“ hatten durch ihre Laubengärten wieder einen Zugang zur Natur, ihre Kinder konnten in der Laubenkolonie spielen – statt im dunklen Hinterhof oder auf dem harten Straßenpflaster.

Am Anfang entstanden in Berlin wilde Kleingärten, die sich in Baulücken drängten. 1895 hatten nur 1,7 % aller Berliner Haushalte einen Garten.

Der katastrophale Wohnungsmangel durch den riesigen Zustrom Arbeitssuchender, die vom Land in die Stadt drängten, führte zum Bau von lichtlosen und engen Mietskasernen. Im Schnitt mussten sich vier Menschen ein beheizbares Zimmer teilen. Die unerträgliche Wohnungssituation ließ die Menschen von Licht, Luft und Sonne träumen. Sie wollten ein kleines Fleckchen Erde für sich allein.

Um 1900 gab es in Berlin 45.000 Kleingärten. Man sah sie entlang der S-Bahn-Trassen bis hin in die Vororte. Zu Beginn der Weimarer Republik wurde dann die erste „Kleingarten- und Kleinlandpachtverordnung“ verabschiedet, das erste deutsche Kleingartengesetz. Und 1921 schlossen sich der „Verband der Laubenkolonisten in Berlin und Umgebung“ und der „Zentralverband Deutscher Arbeiter und Schrebergärten“ zum „Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands“ zusammen. Die erste und wichtigste Forderung des neuen Verbandes war, und das wird Sie nicht verwundern, unkündbare Dauerkleingärten!

1926 entstand hier in Berlin die erste Dauerkleingartenanlage des damaligen Deutschen Reiches, die Kolonie „Rehberge“ im Wedding. Seit damals und bis heute kämpfen Sie, liebe Gartenfreunde, um den Erhalt der Kleingartenflächen in Berlin. Heute sind es 70.000 Parzellen, auf denen rund 250.000 Berlinerinnen und Berliner Ruhe und Erholung, aber auch Bio-Obst und frisches Gemüse finden.

Die Laubenpieper in ihren Schrebergärten, – das galt zu Zeiten des Wirtschaftswunders im Westteil der Stadt lange Zeit als spießig und überholt. Westberliner Kleingartenflächen waren eine Art Manövriermasse für Stadtplaner, die nach immer neuen Möglichkeiten für Industrieansiedlungen oder Wohnungsbau Ausschau hielten. Westberlin war ja eine eingeschlossene Stadt. Heute ist es cool, am Wochenende in eine dicke Designer-Laube wie das würfelförmige bunte Modell ‚Cube’ zu ziehen.

Die Kleingärten in Berlin haben nach wie vor eine herausragende soziale und ökologische Bedeutung. Sie fungieren als grüne Lunge unserer Stadt. Sie sind unverzichtbarer Bestandteil der Großstadt Berlin. Und sie haben eine wichtige Funktion. In der Zeit nach dem II. Weltkrieg haben wir sie noch als Notunterkünfte und Gemüseäcker in Erinnerung. Heute geben sie Raum für Erholung und Freizeitgestaltung.

Der aktuelle Schrebergarten ist in der städtischen Bebauung ein Element der Durchgrünung und Auflockerung. Vereinsheime und Lehrpfade sind gern genutzte Naherholungsziele für die Berlinerinnen und Berliner aus der Nachbarschaft. Der Kleingarten fungiert aber auch als eine Rückzugsmöglichkeit aus der Anonymität der Großstadt. Das Vereinsleben bietet soziale Kontakte. Besonders wichtig ist es für mich, dass sich auch „Otto Normalverbraucher“ einen solchen Kleingarten leisten können muss.

Ich selbst, liebe Gartenfreunde, bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, und kenne deswegen den hohen Wert des Umgangs mit der Natur. Wenn ich an mein Leben mit den Tieren und den Pflanzen in meiner Kindheit zurückdenke, umfängt mich ein Empfinden des Wohlfühlens und einer tiefen Zufriedenheit. Zu DDR-Zeiten war es völlig unmöglich, für mich und meine Familie, so ein kleines Stück Erde und damit verbunden ein kleines Stück Freiheit in Berlin „zu ergattern“. Aber es war genau das, was mir und vielen anderen Menschen im hektischen Alltag und einer sich ständig verändernden Welt so fehlt.

Meine Damen und Herren,

Sie, die Laubenpieper leisten einen sehr wichtigen Beitrag für eine lebenswerte Stadt. Dafür danke ich Ihnen allen im Namen der Stadt Berlin und im Namen des Berliner Parlaments.

Die kleingärtnerischen Interessen sind in Ihren Händen gut aufgehoben. Für die vielen tausend Stunden ehrenamtlicher Tätigkeit, die die Vorständler der Vereine Jahr für Jahr leisten, möchte ich mich herzlich bedanken. Ihr vielfältiges Engagement zeigt: unsere Gesellschaft ist nicht so kalt und so ich-bezogen, wie es oft scheint. Längst hat sich auch in unserer Gesellschaft die Meinung durchgesetzt: Wer ein Ehrenamt übernimmt, trägt besondere Verantwortung. Bürgerschaftliches Engagement ist gewünscht und gesellschaftlich anerkannt. Ihre soziale Kompetenz verdient Beachtung und Wertschätzung. Denn: Demokratie ist mehr als die Organisation von Wahlen. Demokratie heißt, dass Bürgerinnen und Bürger sich einmischen, einsetzen für ihre Ideale und für ihre Werte und gemeinsam handeln. In diesem Sinne sind Sie, liebe Gartenfreunde, vorbildliche Demokraten.

Ich gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrem 20-jährigen Jubiläum. Ich danke Ihnen.

0 Antworten

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?
Feel free to contribute!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.