Rede anlässlich des 160. Jahrestages der Märzrevolution

18. März 2008, 17.00 Uhr,
auf dem Friedhof der Märzgefallenen, Friedrichshain-Kreuzberg

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie alle sehr herzlich.

Der heutige Gedenktag führt uns hier, auf dem „Friedhof der Märzgefallenen“, an einem ganz besonderen Ort zusammen. Ein Ort, der für den Kampf um Demokratie in Deutschland steht.

Vor 160 Jahren, am 22. März 1848, wurden auf diesem Friedhof unter der Anteilnahme von Zehntausenden von Berlinerinnen und Berlinern viele Frauen und Männer beigesetzt. Diese mutigen Bürgerinnen und Bürger hatten bei den Barrikadenkämpfen der Märzrevolution von 1848 ihr Leben verloren.

Der Kampf dieser mutigen Menschen galt der vom König versprochenen Verfassung für Preußen, galt einer Volksvertretung und galt der Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Freiheitsrechte, die für uns heute ganz selbstverständlich sind.

Die Barrikadenkämpfe in Berlin waren der Höhepunkt der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848, die kein deutsches Ereignis, sondern Teil einer europaweiten Bewegung war. Die Ideale der französischen Revolution, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Restauration unterdrückt worden waren, wurden wieder aufgegriffen.

Auch diesmal sprang der Funke von Paris aus, von der sogenannten Februarrevolution und entzündete in diesem bedeutsamen Jahr 1848 zahlreiche „Brandstellen“ in ganz Europa:

  • die Italiener widersetzten sich der Herrschaft der Habsburger und Bourbonen
  • auch in Bayern, Sachsen und Württemberg brachen „Märzrevolutionen“ aus
  • der demokratische schweizerische Bundesstaat wurde gegründet, der in seinen Grundstrukturen bis heute überlebt hat
  • und zu guter letzt wurde in Brüssel ebenfalls 1848 eine kleine Schrift gedruckt, die später noch gewaltig von sich reden machen sollte: das Kommunistische Manifest des

Es ist nicht so, dass diese Ereignisse sich alle gegenseitig beeinflusst hätten. Doch dass sie alle in diesem unruhigen Jahr 1848 ihren Ursprung haben – das gibt zu denken. Ohne Zweifel weisen sie alle in die gleiche Richtung: Sie alle machen deutlich, dass es gegärt hat in der Gesellschaft. Im Zuge der beginnenden industriellen Revolution besannen sich die Bürger ihres Gewichts im Staat und entwickelten ein neues Selbstbewusstsein. Sie wollten sich absolutistische Herrscherwillkür nicht länger gefallen lassen, sie wollten ein politisches Mitspracherecht, sie wollten Verantwortung.

Für Preußen und für Deutschland war die Märzrevolution von 1848 die Geburtsstunde der deutschen Demokratie, oder wie Otto Suhr es 1948 ausgedrückt hat: „Am 18. März 1848 war der Geburtstag des demokratischen Parlamentarismus“.

Wir wollen heute an das Vermächtnis der Berliner Barrikadenkämpferinnen und Barrikadenkämpfer erinnern, vor denen der König den Hut ziehen musste. Wir ehren die Frauen und Männer, die ihr Leben für die Demokratie opferten.

Ich freue mich, dass das Gedenken an den 18. März 1848 seit einigen Jahren in Berlin zur festen Tradition geworden ist. Denn dieser Tag ist zu wichtig, um ihn allein einem Kreis geschichtsbewusster Bürgerinnen und Bürger zu überlassen.

Einen großen Anteil an der zunehmenden Bedeutung dieses Gedenkens hat die Initiative „Aktion 18. März“ mit Volker Schröder an der Spitze und unsere ehemalige Parlamentspräsidentin Frau Dr. Hanna-Renate Laurien, die die Übung begründet hat, dass der Parlamentspräsident bei der Gedenkfeier auf dem Friedhof der Märzgefallenen am 18. März die Festansprache hält.

Sehr geehrte Damen und Herren,

es gibt nicht viele revolutionäre Ereignisse in der Geschichte unseres Landes, auf die wir stolz sein können. Der 18. März 1848 gehört zweifelsohne dazu.

Deshalb haben sich alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses dafür eingesetzt, dass der Bundespräsident diesen Tag zum bundesweiten Gedenktag erklärt. In der letzten Plenarsitzung wurde ein Antrag mit diesem Inhalt einstimmig verabschiedet.

Damit der 18. März 1848 als „Tag der Märzrevolution“ in den Kalender kommt!

Heute, am 18. März 2008, ist hier in Berlin sichtbar geworden, dass wir auf Landesebene dem Datum bereits die Bedeutung einräumen, die es verdient: Der 18. März wurde im vergangenen Jahr in den Beflaggungskalender des Landes Berlin aufgenommen.

Auch der Friedhof der Märzgefallenen, lange Zeit vernachlässigt, ist auf gutem Wege, das zu werden, was ihm seiner Bedeutung nach zusteht: ein nationales Denkmal, ein wichtiger Ort der deutschen und der Berliner Demokratiegeschichte. Der Friedhof der Märzgefallenen ist von der Bedeutung her gleichrangig mit den anderen beiden Gedenkstätten zu 1848 zu nennen, mit der Festung Rastatt und der Frankfurter Paulskirche. An der Initiative, aus dem Friedhof der Märzgefallenen einen würdigen Ort der Erinnerung zu gestalten, sind neben der Aktion

18. März und dem Paul Singer-Verein auch mehrere Mitglieder des Abgeordnetenhauses beteiligt. Allen möchte ich für ihr Engagement für dieses Denkmal der Demokratiegeschichte in Berlin danken.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Barrikadenkämpferinnen und Barrikadenkämpfer haben im Jahr 1848 einen ersten Etappensieg errungen im Kampf um demokratische Rechte in Deutschland. Einen Endpunkt, einen Punkt, wo man sagen kann: „Es ist erreicht!“, gibt es nicht und wird es nie geben. Demokratie ist nichts Statisches, nichts Fertiges: Nehmen wir das Vermächtnis der Märzgefallenen als Aufforderung, Angriffe auf die Demokratie und die Bürgerrechte abzuwehren, in welchem Gewand sie auch immer auftreten mögen.

Die Freiheit und die Demokratie müssen jeden Tag neu erkämpft und neu erarbeitet werden. Jeden Tag, das heißt: auch im Alltag. Als ehemalige DDR-Bürgerin schmerzt es mich, wenn ich nach Wahlen mit der zunehmenden Zahl der Nichtwähler konfrontiert werde. Ich weiß, was es heißt, wenn einem politische Mitbestimmung vorenthalten wird.

Diese Veranstaltung ist dem Gedenken an die tapferen Frauen und Männer gewidmet, die 1848 im Kampf für demokratische Rechte ihr Leben gelassen haben. Diese Veranstaltung soll aber ebenso sehr als Aufforderung an uns alle verstanden werden, sich jeden Tag aufs Neue für Freiheit und Demokratie einzusetzen und notfalls auch für sie zu kämpfen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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