Grußwort beim Festakt zum 100-jährigen Jubiläum des Katholischen Frauenbundes Diözesanverband Berlin e.V.

Am 6. November feierte der Katholische Frauenbund Diözesanverband Berlin im Abgeordnetenhaus von Berlin sein 100-jähriges Bestehen. 1909 wurde im heutigen Festsaal des Hauses die Gründung vollzogen. Unendlich viele Stunden ehrenamtlichen Engagements sind in diesen 100 Jahren aufgewandt worden, um dem Ziel des Frauenbundes — der Gleichstellung der Geschlechter in Kirche, Gesellschaft und Politik – näher zu kommen. Ich freue mich sehr, gerade diesen Verband in unserem Haus begrüßen zu dürfen und gratuliere herzlich im Namen des Abgeordnetenhauses von Berlin.

Grußwort

Sehr geehrte Frau Brouwers,
sehr geehrte Frau Fischbach,
sehr geehrte Frau John,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

fast auf den Tag genau vor 100 Jahren, am
3. November 1909 fand in diesem Saal die Feier zur Gründung des Katholischen Deutschen Frauenbundes Diözesanverband Berlin statt.

Dieses Haus, in das Sie zu Ihrem Jubiläum zurückgekehrt sind, spiegelt wie kaum ein anderes Gebäude in der Stadt, die Brüche und Widersprüche preußischer und deutscher Geschichte wider.

1899 für das Preußische Abgeordnetenhaus fertiggestellt, tagte dieses Parlament hier bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und des Endes der Monarchie in Preußen und im deutschen Reich im Jahre 1918. Es gehört zu den großen Versäumnissen dieses Gremiums, dass es bis zu seiner Auflösung es nicht fertig brachte, das Frauenwahlrecht zu verwirklichen. Erst Ende November 1918 wurde durch eine Verordnung dieses Recht erstmalig für ganz Deutschland geschaffen.

In diesem Haus stand im Dezember 1918 die Wiege der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik, als der Erste Reichskongress der Arbeiter und Soldatenräte mit großer Mehrheit die allgemeine und freie Wahl einer verfassungsgebenden Nationalversammlung beschloss.

Zum Jahreswechsel 1918/1919 wurde in diesem Saal die Kommunistische Partei Deutschlands gegründet.

Während der Weimarer Republik tagte in diesem Haus der demokratisch gewählte Preußische Land bis zu seiner Auflösung 1934. Danach bemächtigten sich die Nazis dieses Gebäude, gründeten hier den berüchtigten „Volksgerichtshof“ und missbrauchten ihn später bis 1945 als „Haus der Flieger“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war hier für wenige Jahre die erste Regierung der DDR untergebracht, tagte der RGW, das östliche Pendant zur EWG und bis 1989 war hier, unmittelbar im Schatten von Mauer und Grenzanlagen, der Sitz der Staatlichen Plankommission der DDR.

Seit 1993 ist der ehemalige Preußische Landtag Sitz des Abgeordnetenhauses von Berlin.

Meine Damen und Herren,

heute, ein Jahrhundert nach Gründung Ihres Bundes, gehört Ihre Vereinigung zu den wichtigsten kirchlichen und frauenpolitischen Organisationen Berlins.

Gemeinsam im Sinne gemeinsamer Überzeugungen zu handeln, war das Ziel, als der Katholische Frauenbund Anfang des
20. Jahrhunderts als Vorläufer des heutigen Katholischen Deutschen Frauenbundes, gegründet wurde. Ihm ging es insbesondere um die Frauenbildung, dem großen Anliegen vieler der frühen Frauenvereine.
Die Gründerinnen des Frauenbundes hatten sich zum Ziel gesetzt, die Stellung und Anerkennung der Frau zu verbessern, ihr neue Berufschancen zu eröffnen und vor allem: ihr Wissen zukommen zu lassen! Denn die Gründerinnen wussten damals schon: „Wissen ist Macht“. Wenn man auch den wie es damals hieß „einfachen Frauen“ den Zugang zu Wissen ermöglichte, würden sich ihre Chancen auf höhere Positionen und verantwortungsvollere Tätigkeiten in der Gesellschaft – die bisher nur den Männern vorbehalten waren – verbessern.

Und es war ja zu Beginn des vorigen Jahrhunderts noch ein relativ junges Phänomen, dass Frauen sich zusammenschlossen und für ihre Interessen eintraten. Entsprechend misstrauisch wurden sie beäugt, entsprechend groß waren die Vorbehalte gegen die entschlossenen Frauen, die sich für neue weibliche Lebensentwürfe einsetzten.

Entsprechend groß war aber auch die Resonanz bei den Frauen, die in den Jahren nach der Kölner Urgründung in weiteren Städten, so auch in Berlin, weitere Verbände ins Leben riefen.
Im Ersten Weltkrieg, der bei so vielen Zeitgenossen zumindest anfangs eine wahren Kriegstaumel hervorgerufen hatte, setzte der Katholische Frauenbund ein Zeichen für den Frieden und begann damit ein Engagement, das sich bis heute in den verschiedenen Diözesen weiterentwickelte.

Das vielschichtige, vor allem sozialpolitische Wirken Ihres Verbandes begann mit der Einrichtung von sozialen Frauenschulen, Mütterschulen und Eheberatungsstellen.

Neben den umfangreichen Aktivitäten vor Ort stand zudem von Anfang an ein international ausgesrichtetes Engagement. So war der Frauenbund z.B. an der Vorbereitung der wegweisenden Weltfrauenkonferenz von 1995 beteiligt und beteiligte sich auch intensiv auf der Ebene der Europäischen Union.

Und der kluge und vorausschauende Ansatz der Gründerinnengeneration ist im Hinblick auf Bildung und Ausbildung nach wie vor aktuell. Gerade heute wird viel über den Zugang zu Informationen und Bildung debattiert und es steht mittlerweile außer Frage, dass dieser Zugang ein entscheidender Faktor für die Gestaltung eines selbstbestimmten und von Partnerschaft geprägten Lebens für alle Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft ist.

Und meine Damen und Herren,

ich stelle die Frage, was nützen den Frauen heute die im Grundgesetz verbrieften Rechte, wenn diese nach wie vor noch nicht in unserer Gesellschaft vollständig realisiert werden konnten. Sie, meine Damen, wissen am besten, dass es in unserer Gesellschaft immer noch mit der Umsetzung der Gleichberechtigung von Frau und Mann hapert. Geschlechtsspezifisches Schubladendenken ist längst nicht überwunden, alte Rollenbilder beweisen eine lange Haltbarkeit.

Deshalb ist es gut, dass gerade der Katholische Frauenbund Frauen ermuntert, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen und unbequeme Wahrheiten anzusprechen.

Meine Damen und Herren,

was in kleinem Kreise begann, ist heute fester Teil eines Netzwerkes aus über 220.000 Frauen im gesamten Bundesgebiet.

Der Verband hat viel bewegt und viel erreicht. Neben dem Aufbau einer Schule, dem Angebot eines umfangreichen Bildungs- und Kulturprogramms sowie der Unterhaltung eines Wohn- und Gästehauses gibt es viele weitere Projekte und Initiativen, die die tatkräftigen Frauen des Verbandes umgesetzt haben und weiter umsetzen.

Unendlich viele Stunden ehrenamtlichen Engagements sind in diesen 100 Jahren aufgewandt worden, um dem Ziel des Frauenbundes – der Gleichstellung und Chancengleichheit der Geschlechter in Kirche, Gesellschaft und Politik – näher zu kommen.

Deshalb möchte ich Ihnen für Ihr jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement Dank sagen. Für Ihre zukünftige Arbeit wünsche ich Ihnen allen weiterhin viel Erfolg.

Ich freue mich sehr, gerade Ihren Verband als Vizepräsidentin in diesem Haus begrüßen zu dürfen und gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrem Jubiläum im Namen des Abgeordnetenhauses von Berlin.

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